Trockenzeiten – wie lange muss Estrich trocknen?
Nichts ist ärgerlicher, als im frischen Estrich unerwünschte Spuren und Eindrücke zu haben. Darum müssen die Trocknungszeiten für Estriche genau eingehalten werden und stets als Mindestmaß verstanden werden. Zu den angegebenen Trocknungszeiten zählen auch weitere Faktoren, welche von einem Laien schwer einzuschätzen sind. Die Temperatur der Umgebung (innen wie außen), die Luftfeuchtigkeit, die Schichtdicke und die Art des Estrichs spielen bei der Berechnung der Trocknungszeiten ebenfalls eine große Rolle.
Terminologische Feinheiten rund ums Festwerden
Die Bezeichnung „Trocknungszeiten“ ist nicht ganz korrekt, wenn es um die Zeit zwischen Einbringen und Begehen des Estrichs geht. Das hart werden einer Estrichschicht entsteht nicht durch das Verdampfen von Wasser, sondern durch chemische Prozesse, die in seinem Inneren ablaufen. Sonst wäre Estrich durch Auftragen von Wasser wieder auflösbar. Für Magnesiaestrich stimmt das auch, dies ist aber ein anderer Fall. Zementgebundener Estrich trocknet nicht, er „bindet ab„. Kunstharzestriche und Gipsestriche „härten aus„. Die Unterscheidung ist wichtig um zu verstehen, dass das eingegebene Wasser für den Aushärteprozess wichtig ist. Versuche, die Aushärtungszeit vorschnell durch hohe Temperaturen zu beschleunigen können deshalb fatale Folgen haben.
Inhalte
Fünf Estricharten im Hausbau
Zementestrich
Der nach wie vor am weitesten verbreitetste Estrich ist vor allem wegen seiner universellen Verwendbarkeit sehr beliebt. Er eignet sich für Innen- wie Außenbereiche. Mit entsprechenden Zuschlägen lässt sich der Zementestrich beliebig farblich und technisch an die gewünschten Erfordernisse anpassen. Zementestrich kann erdfeucht und als Fließestrich eingebaut werden. Zudem ist er – in konventioneller Ausführung – mit 2,50 Euro pro 25 kg Sack sehr preiswert. Zement ist relativ schnell ausgehärtet.
Der Abbindeprozess ist nach 24 Stunden so weit abgeschlossen, dass der Boden fest ist. Dennoch ist er noch sehr empfindlich. Mit dem Begehen sollte eine Woche bis zehn Tage gewartet werden. Die DIN gibt eine Härtezeit von 21 Tagen für zementgebundene Werkstoffe vor, wozu neben Beton und Mörtel auch der Estrich zählt. Zusätzliches Heizen ist nur nach den etablierten Regeln sinnvoll. Eine ausreichende Belüftung verkürzt die anschließende Trocknungszeit und beugt Schimmelbildung vor. Eine Nagelprobe kann Aufschluss darüber geben, ob der Estrich hart genug für das Betreten ist: Lässt sich der Estrich mit dem Fingernagel tief einritzen, ist er noch mitten im Aushärteprozess.
Gussasphaltestrich
Der in privater Anwendung noch weitestgehend unbekannte Gussasphaltestrich verwendet als Bindemittel Bitumen. Die Fließfähigkeit des Gussasphaltestrich wird durch Wärme erreicht. Ist der Gussasphaltesrich ausgekühlt, ist er begehbar.
Calciumsulfatestrich
Calciumsulfatestrich verwendet Gips als Bindemittel. Das macht ihn fließfähiger und erhöht die selbstnivellierenden Eigenschaften des Estrichs. Calciumsulfatestrich kann auch als Fließestrich recht dick eingebaut werden und eignet sich deshalb gut für Fußbodenheizungen. Als Werkstoff ist Calciumsulfat gutmütig und benötigt nicht unbedingt eine Bewehrung. Empfohlen ist es aber dennoch.
Calciumsulfatestriche, die als Fließestrich eingebracht werden, haben einen sehr hohen Wasseranteil. Ihre Aushärtung geschieht extrem schnell. Meist ist der Calciumsulfatestrich bereits wenige Stunden nach dem Einbringen begehbar. Dann aber müssen exakte Schritte eingehalten werden, um den Trocknungsprozess optimal zu gestalten.
Magnesiaestrich
Magnesiaestriche bestehen aus einem Gemisch aus organischen Stoffen, wie beispielsweise Holzspänen und kaustischem Magnesia als Bindemittel. Er wird im Schüttverfahren eingebaut. Nach dem Einbau ist Magnesiaestrich zwar recht schnell begehbar. Er muss aber unmittelbar nach dem Aushärten professionell versiegelt werden. Da er stark hygroskopisch (Wasser anziehend) ist, können bereits kleinste Wasserspritzer den Magnesiaestrich ruinieren. Die Versiegelungsschicht muss ihrerseits wieder 2-3 Tage aushärten. Dazu sollte auf eine ausreichende Belüftung geachtet werden.
Kunstharzestrich
Kunstharzestriche bestehen aus drei Komponenten: Zuschlag, Lösemittel und Härter. Das Lösemittel sorgt dafür, dass sich Härter und Zuschlag miteinander vermischen können. Anschließend diffundiert es aus und lässt so den Kunstharzestrich aushärten. Dies geschieht relativ schnell, so dass nach 2-3 Tagen der Kunstharzestrich begangen werden kann. Eine ausreichende Belüftung ist unbedingt notwendig, sonst besteht unter Umständen sogar Explosionsgefahr.
Nach dem Härten kommt das Trocknen
Neben der grundsätzlichen Art des Estrichs, ist die Weise seines Einbaus für die Trocknungszeit für Estrich entscheidend. Ein wasserbasierter Estrich, welcher erdfeucht eingebaut wird, ist wesentlich schneller hart und begehbar als ein Fließestrich. Je länger die Trocknungszeit eines Estrichs ist, desto höher ist auch die Gefahr der Rissbildung. Der Prozess der Trocknung muss so homogen wie möglich stattfinden. Wird durch eine externe Bestrahlung zu viel Wärme auf den frischen Estrich gegeben, können Spannungen entstehen, die Risse zur Folge haben.
Dass ein Estrich fest genug ist, um ihn beschädigungsfrei begehen zu können, heißt aber noch lange nicht, dass er fertig ausgehärtet ist. Estrich benötigt genügend Wasser oder Härter, um aushärten zu können. Was zu viel ist, diffundiert aus. Dazu muss der Estrich lange genug Gelegenheit haben. Da Estriche nach unten durch den Rohbauboden, und die Dammschicht isoliert sind, können Wasser und Lösungsmittel nur nach oben entweichen. Ein zu frühes Versiegeln durch dampfdichte Beläge wie PVC, Laminat, Fliesen oder Teppichböden können fatale Folgen haben: Schimmelbildung oder schlimmstenfalls chemische Reaktionen zwischen Lösemittel und Bodenbelag ziehen immer teure Reparaturen nach sich.
Der Fachmann spricht von der sogenannten „Ausgleichsfeuchte“. Diese ist erreicht, wenn die Restfeuchte im Estrich mit der durchschnittlichen Luftfeuchtigkeit der Umgebung übereinstimmt. Trocknet der Estrich bis zu diesem Punkt aus, bleibt die Restfeuchte im Estrich und wird nicht weiter nach Außen diffundiert. Ob ein Estrich trocken ist, lässt sich einfach feststellen: Man schneidet aus durchsichtiger Folie ein Quadrat mit einer Kantenlänge von 30 cm aus und klebt es am Boden fest. Die Unterseite der Folie muss dabei luftdicht verschlossen sein. Bilden sich unter der Folie keine Kondenströpfchen mehr, ist der Estrich fertig ausgetrocknet.
Weiter verarbeitbar sind die Estriche also nach ihrer Abbinde- und Aushärtezeit. Dafür müssen aber Mindestzeiten eingehalten werden.
Welcher Estrich trocknet wie lange?
Ein Unterschied zwischen Härtezeit und Trocknungszeit existiert nur bei den wasserbasierten Estrichen, Zementestrich und Calciumsulfat Estrich. Bei den thermischen bzw. auf Lösemittel basierten Estrichen ist der Trocknungsprozess mit dem Aushärten abgeschlossen. Dennoch können bei Magnesia- und Kunstharzestrichen noch einige Zeit lang Reste von Lösungsmitteln ausdampfen, weshalb stets gelüftet werden sollte.
Die längste Trocknungszeit haben Fließestriche. Der hohe Wassergehalt, welcher für das fließende Einbringen des Estrichs notwendig ist, muss durch Diffusion wieder entweichen. Zementestriche sind im Trocknungsverhalten recht robust und anspruchslos. Calciumsulfat Estriche sind dagegen wesentlich empfindlicher und erfordern das Einhalten definierter Arbeitsschritte:
- Unmittelbar nach dem Einbringen:
Der Estrich muss ruhen und darf keinesfalls für die nächsten 48 Stunden betreten werden. Fenster und Türen sind zu schließen, da der Fließestrich gegen Zugluft und direkte Sonneneinstrahlung geschützt werden muss.
- Nach 48 Stunden
Alle Fenster öffnen und für eine maximale Belüftung sorgen.
- Trocknungszeit für Estrich berechnen
Bei Fließestrichen verläuft die Trocknungszeit im Quadrat zur Schichtdicke. Die Faustformel für die Trocknungszeit bei Fließestrichen lautet
Tage der Trocknungszeit = d² x 1,6
Tabellarisch bedeutet dies:
- 1 cm Schichtdicke = 2 Tage Trockungszeit
- 2 cm Schichtdicke = 7 Tage Trocknungszeit
- 3 cm Schichtdicke = 15 Tage Trocknungszeit
- 4 cm Schichtdicke = 26 Tage Trocknungszeit
Bei vier Zentimetern Schichtdicke ist man gerade erst in der Mindestdicke für Fußbodenheizungen. Jedoch ist diese Formel nur als grobe Orientierung dienlich. Natürliche und künstliche Faktoren können die Trocknungszeit für den Fließestrich erheblich beschleunigen.
Maßnahmen zur Beschleunigung der Trocknungszeit
- Schnellbinder verwenden
Schnellzement härtet wesentlich schneller aus als normaler Zement. Einmal ausgehärtet, lässt sich Schnellzement mit massiven Maßnahmen wie Wärmestrahlung, Ventilation oder Einschalten der Fußbodenheizung in kürzester Zeit austrocknen. Jedoch hat dies seinen Preis: Schnellzement kostet ca. das 10fache als normaler Zement.
- Professionell Heizen und Lüften
Zur Beschleunigung des Trocknungsprozesses können professionelle Geräte eingesetzt werden. Die DIN EN 1264 Teil 4 regelt genau, wie ein Heizprozess für die Trocknung eines Estrich abzulaufen hat. Dazu sind mobile Heizgeräte einsetzbar, wenn die in der DIN angegebenen Aufheiz- und Abkühlperioden eingehalten werden. Elektrisch betriebene Geräte haben zwar um einiges höhere Betriebskosten. Da sie aber emissionsfrei laufen, ist ihr Betrieb in geschlossenen Räumen wesentlich ungefährlicher als Gasbrenner.
Tipp: Empfehlenswerter ist aber der Einsatz von professionellen Bautrocknungsgeräten
Ein neuer Bautrockner kostet ca. 600-1600 Euro, je nach Ausstattung und Leistung. Professionelle Bautrockner haben eine eingebaute hygroskopische Sensorik, so dass die Restfeuchte immer genau ermittelt werden kann. Die Mietpreise für professionelle Bautrockner beginnen bei ca. 30 Euro am Tag. Das sieht zunächst einmal billig aus. Betrachtet man aber noch einmal die Trocknungszeiten, welche bei größeren Schichtdicken anfallen, kann der Kauf und anschließende Verkauf eines professionellen Bautrockners die preiswertere Lösung sein.
- Fußbodenheizung gekonnt einsetzen
Die DIN EN 1264 regelt auch den Einsatz der Fußbodenheizung, um den Trocknungsprozess zu beschleunigen. Dies ist insofern vorteilhaft, weil dadurch die Funktion und Dichtigkeit der Fußbodenheizung gleich mit geprüft werden. Zementestriche können frühestens nach 21 Tagen, Calciumsulfat-Estriche frühestens nach 7 Tagen aufgeheizt werden. Insgesamt lässt sich die Trocknungszeit von Fließestrichen mit Hilfe dieser Maßnahmen um 30-50% reduzieren.
Die Restfeuchte kann mit dem Folientest oder einem Feuchtemeßgerät ermittelt werden. Erst wenn die maximal zulässigen Restfeuchtewerte erreicht sind, kann der Bodenbelag eingebracht werden.
Tipps für Schnellleser
Trockenzeiten für Estrich:
- Abbinden und Aushärten ist nicht immer gleich Trocknen
- Getrocknet werden müssen nur Zement- und Calciumsulfatestriche
- Trocknungszeit von Fließestrich steigt mit der Dicke der Schicht im Quadrat an.
- DIN EN 1264 regelt, wie der Trocknungsprozess beschleunigt werden kann
- elektrische Heizlüfter sind Gas- und Benzinbrennern vorzuziehen. Noch besser sind professionelle Bautrockner
- Bedarf an Bautrocknern vorher genau berechnen und sich dann für eine Kauf- oder Mietlösung entscheiden.
- eine geschickte Baustellenplanung überbrückt die Trocknungszeiten des Estrichs mit anderen Arbeiten.
- Tapezier- und Malerarbeiten sind beispielsweise auch bei noch nicht vollständig getrocknetem Estrich möglich.
2 Comments
Hallo,
welcher Estrich eignet sich denn für den Flur, ohne fbh, der lediglich gefliest werden soll?
Danke für eine Antwort.
Gruß und frohe Ostern
Wichtig bei der Auswahl des Estriches ist u.a., was will ich anschließend tun. Es ist dann schon ein Unterschied, ob ich in einem Bad Fliesen, in einer Garage eventuelle nur einen Ölanstrich oder aber auf der Terrasse Betonplatte verlege, die auch noch regelmäßig mit Hochdruck gereinigt werden