Märchen für Kinder: „Der Froschkönig“
Über unser Märchen für Kinder:
- Märchen der Brüder Grimm (verlegt durch Eugen Diederichs / Jena 1912)
- Alter: 6 bis 10 Jahre
- Lesedauer: 13 Minuten
- Disclaimer
Inhalte
Der Froschkönig
In den alten Zeiten, in denen das Wünschen noch geholfen hat, lebte ein König, dessen Töchter waren alle schön; aber die jüngste war so schön, dass die Sonne selber, die doch so vieles gesehen hat, sich wunderte, so oft sie ihr ins Gesicht schien. Nahe bei dem Schlosse des Königs lag ein großer dunkler Wald, und in dem Walde unter einer alten Linde war ein Brunnen; wenn nun der Tag recht heiß war, so ging das Königskind hinaus in den Wald und setzte sich an den Rand des kühlen Brunnens. Und wenn sie Langeweile hatte, so nahm sie eine goldene Kugel, warf sie in die Höhe und fing sie wieder; und das war ihr liebstes Spielzeug.
Nun trug es sich einmal zu, dass die goldene Kugel der Königstochter nicht in ihr Händchen fiel, das sie in die Höhe gehalten hatte, sondern vorbei auf die Erde schlug und geradezu ins Wasser hineinrollte. Die Königstochter folgte ihr mit den Augen nach, aber die Kugel verschwand, und der Brunnen war tief, so tief, dass man keinen Grund sah. Da fing sie an zu weinen und weinte immer lauter und konnte sich gar nicht trösten. Und während sie so klagte, rief ihr jemand zu: „Was hast du vor, Königstochter, du schreist ja, dass sich ein Stein erbarmen möchte.“ Sie sah sich danach um, woher die Stimme kam, und da erblickte sie einen Frosch, der seinen dicken, hässlichen Kopf aus dem Wasser streckte.
„Ach, du bist’s, alter Wasserpatscher,“ sagte sie, „ich weine über meine goldene Kugel, die mir in den Brunnen hinab gefallen ist.“ – „Sei still und weine nicht,“ antwortete der Frosch, „ich kann wohl Rat schaffen, aber was gibst du mir, wenn ich dein Spielzeug wieder heraufhole?“ – „Was du haben willst, lieber Frosch,“ sagte sie; „meine Kleider, meine Perlen und Edelsteine, auch noch die goldene Krone, die ich trage.“ Der Frosch antwortete: „Deine Kleider, deine Perlen und Edelsteine und deine goldene Krone, die mag ich nicht. Aber wenn du mich lieb haben willst, und ich soll dein Geselle und Spielkamerad sein, an deinem Tischlein neben dir sitzen, von deinem goldenen Tellerlein essen, aus deinem Becherlein trinken, in deinem Bettlein schlafen – wenn du mir das versprichst, so will ich hinuntersteigen und dir die goldene Kugel wieder heraufholen.“ – „Ach ja,“ sagte sie,“ ich verspreche dir alles, was du willst, wenn du mir nur die Kugel wieder bringst.“ Sie dachte aber: „Was der einfältige Frosch schwätzt! Der sitzt im Wasser bei seinesgleichen und quakt und kann keines Menschen Geselle sein.“
Der Frosch, als er die Zusage erhalten hatte, tauchte seinen Kopf unter, sank hinab, und nach einem Weilchen kam er wieder heraufgerudert, hatte die Kugel im Maul und warf sie ins Gras. Die Königstochter war voll Freude, als sie ihr schönes Spielwerk wieder erblickte, hob es auf und sprang damit fort. „Warte, warte,“ rief der Frosch, „nimm mich mit, ich kann nicht so laufen wie du!“ Aber was half es ihm, dass er ihr sein Quak, Quak so laut nachschrie wie er konnte! Sie hörte nicht darauf, eilte nach Hause und hatte bald den armen Frosch vergessen, der wieder in seinen Brunnen hinabsteigen musste.
Am anderen Tage, als sie mit dem König und allen Hofleuten sich zur Tafel gesetzt hatte und von ihrem goldenen Tellerlein aß, da kam, plitsch platsch, plitsch platsch, etwas die Marmortreppe herauf gekrochen, und als es oben angelangt war, klopfte es an die Tür und rief: „Königstochter, jüngste, mach mir auf!“ Sie lief und wollte sehen, wer draußen wäre, als sie aber aufmachte, so saß der Frosch davor. Da warf sie die Tür hastig zu, setzte sich wieder an den Tisch, und es war ihr ganz angst. Der König sah wohl, dass ihr das Herz gewaltig klopfte, und sprach: „Mein Kind, was fürchtest du dich, steht etwa ein Riese vor der Tür und will dich holen?” – „Ach nein,” antwortete sie, „es ist kein Riese, sondern ein garstiger Frosch.“ – „Was will der Frosch von dir?“ – „Ach, lieber Vater, als ich gestern im Wald bei dem Brunnen saß und spielte, da fiel meine goldene Kugel ins Wasser. Und weil ich so weinte, hat sie der Frosch wieder heraufgeholt, und weil er es durchaus verlangte, so versprach ich ihm, er sollte mein Geselle werden; ich dachte aber nimmermehr, dass er aus seinem Wasser heraus kommen könnte. Nun ist er draußen und will zu mir herein.“
Und schon klopfte es zum zweiten Mal und rief:
„Königstochter, jüngste,
Mach mir auf,
Weißt du nicht, was gestern
Du zu mir gesagt
Bei dem kühlen Wasserbrunnen?
Königstochter, jüngste,
Mach mir auf!“
Da sagte der König: „Was du versprochen hast, das musst du auch halten; geh nur und mach ihm auf.“ Sie ging und öffnete die Türe, da hüpfte der Frosch herein, ihr immer auf dem Fuße nach, bis zu ihrem Stuhl. Da saß er und rief: „Heb mich herauf zu dir.“ Sie zauderte, bis es endlich der König befahl. Als der Frosch erst auf dem Stuhl war, wollte er auf den Tisch, und als er da saß, sprach er: „Nun schieb mir dein goldenes Tellerlein näher, damit wir zusammen essen.“ Das tat sie zwar, aber man sah wohl, dass sie’s nicht gerne tat. Der Frosch ließ sich’s gut schmecken, aber ihr blieb fast jedes Bisslein im Halse. Endlich sprach er: „Ich habe mich satt gegessen und bin müde; nun trag mich in dein Kämmerlein und mach dein seidenes Bettlein zurecht, da wollen wir uns schlafen legen.“
Die Königstochter fing an zu weinen und fürchtete sich vor dem kalten Frosch, den sie nicht anzurühren getraute und der nun in ihrem schönen, reinen Bettlein schlafen sollte. Der König aber ward zornig und sprach: „Wer dir geholfen hat, als du in der Not warst, den sollst du hernach nicht verachten.“ Da packte sie ihn mit zwei Fingern, trug ihn hinauf und setzte ihn in eine Ecke. Als sie aber im Bett lag, kam er gekrochen und sprach: „Ich bin müde, ich will schlafen so gut wie du: heb mich herauf, oder ich sag’s deinem Vater.“ Da ward sie erst bitterböse, holte ihn herauf und warf ihn mit allen Kräften gegen die Wand: „Nun wirst du Ruhe haben, du garstiger Frosch.“
Als er aber herab fiel, war er kein Frosch, sondern ein Königssohn mit schönen und freundlichen Augen. Der war nun nach ihres Vaters Willen ihr lieber Geselle und Gemahl. Da erzählte er ihr, er sei von einer bösen Hexe verwünscht worden, und niemand habe ihn aus dem Brunnen erlösen können außer sie allein, und morgen wollen sie zusammen in sein Reich gehen. Dann schliefen sie ein, und am nächsten Morgen, als die Sonne sie aufweckte, kam ein Wagen herangefahren, mit acht weißen Pferden bespannt, die hatten weiße Straußfedern auf dem Kopf und gingen in goldenen Ketten, und hinten stand der Diener des jungen Königs, das war der treue Heinrich. Der treue Heinrich war so betrübt, als sein Herr in einen Frosch verwandelt worden war, dass er drei eiserne Bande um sein Herz legen ließ, damit es ihm nicht vor Weh und Traurigkeit zerspränge. Der Wagen aber sollte den jungen König in sein Reich abholen; der treue Heinrich hob beide hinein, stellte sich wieder hinten auf und war voller Freude über die Erlösung.
Und als sie ein Stück Wegs gefahren waren, hörte der Königssohn, dass es hinter ihm krachte, als wäre etwas zerbrochen. Da drehte er sich um und rief:
„Heinrich, der Wagen bricht!“
„Nein, Herr, der Wagen nicht,
Es ist ein Band von meinem Herzen,
Das da lag in großen Schmerzen,
Als Ihr in dem Brunnen saßt,
Als Ihr eine Fretsche (Frosch, die Redaktion) wart.“
Noch einmal und noch einmal krachte es auf dem Weg, und der Königssohn meinte immer, der Wagen bräche, und es waren doch nur die Bande, die vom Herzen des treuen Heinrich absprangen, weil sein Herr erlöst und glücklich war.
Disclaimer
Die Märchen der Brüder Grimm wurden im 19. Jahrhundert zusammengetragen, aufgeschrieben, aber auch mündlich überliefert. Sie gehören zum kulturellen Erbe und sind Teil unseres kollektiven Gedächtnisses. Damals, wie auch heute, waren die kurzen Geschichten und Märchen für Kinder nicht wirklich geeignet, enthalten sie doch immer wieder zu viel Brutalität, Bevormundung von Frauen und diskriminierende Stereotypen. Trotzdem sind die Geschichten und Erzählungen aus unserem Leben nicht wegzudenken, da sie magisch sind, ikonische Figuren und auch jede Menge Moral enthalten. Wir in unserem Team sind für eine offene, gleichberechtige Gesellschaft und Weltanschauung, welche oftmals nicht in Märchen abgebildet wird.
Wir möchten darauf hinweisen, dass die Geschichten oft auch Hexen, Monster und die oben genannten veralteten Ansichten enthalten, die heute nicht mehr aktuell sind. Sie sollten daher darauf achten, ob die Geschichte geeignet ist für ihre Kinder und dass, falls diese fragwürdige Passagen enthalten, sie diese entweder weglassen oder nach ihrem eigenen Empfinden anpassen. Nur Sie können einschätzen, welche Geschichte für ihr Kind in Frage kommt und auf welche Art und Weise. Falls es Themen gibt, die Angst oder Fragen bei Ihren Kindern zur Folge haben, dann sprechen Sie einfach mit ihren Kindern darüber. Oft reicht auch die Antwort: Das ist nur im Märchen so. Auf diese Weise bekommt ihr Kind auch das Gespür für diese Textart und Erzählweise.
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