Gute Nacht Geschichte „Silberfeder und seine Freunde“
Silberfeder, ein Zaubervogel, lässt sich in einem Wald nieder. Er fühlt sich sehr einsam, die Tiere und die Menschen haben Angst vor ihm und weichen ihm aus. Mithilfe eines kleinen Eichhörnchens und durch eine gute Tat gelingt es ihm, Freunde zu finden.
Über unsere Gute-Nacht-Geschichte:
- Gute-Nacht-Geschichte zum Einschlafen
- Alter: 5 bis 8 Jahre
- Lesedauer: 15 Minuten
- Thema: Freundschaft
Silberfeder und seine Freunde
Vor mehr als einhundert Jahren lebten in Europa außergewöhnlich prächtige Vögel. Es waren Zaubervögel. Sie waren so groß wie Steinadler, hatten schwarzes, graues oder weißes Gefieder und einen kräftigen Schnabel.
Alle Zaubervögel verbrachten die ersten Lebensjahre in einem abgelegenen Zauberwald. Dort erlernten sie die Grundlagen der Zauberei und bereiteten sich auf das Leben vor. Am Tag ihres fünften Geburtstags mussten die Vögel den Zauberwald verlassen und in eine andere, für sie bestimmten Gegend ziehen.
Einer der Zaubervögel, die das fünfte Lebensjahr gerade vollendet hatten, trug den Namen „Silberfeder“. Kein anderer Name hätte besser gepasst. Silberfeder hatte wunderschöne, silbern glänzende Federn. Sogar sein Schnabel sah aus, als wäre er aus purem Silber geschmiedet. Seine Augen leuchteten in einem tiefen Blau.
Silberfeder erreichte den Wald, der von der Zaubervogelgemeinschaft für ihn ausgewählt worden war. Er entdeckte eine große Ulme, auf der er sein Nest errichten wollte. Von oben konnte er die Umgebung gut überblicken.
Silberfeder begann, für den Nestbau Zweige zu sammeln. Mit Gräsern verschloss er die Zwischenräume und mit weichem Moos polsterte er das große Nest aus.
Der Vogel war stolz auf sein Bauwerk. Gern hätte er es seinen Freunden aus dem Zauberwald gezeigt, aber erst in einem Jahr, zu seinem sechsten Geburtstag, würde er die anderen wieder sehen.
Zufrieden schlief er in seinem Nest weit oben in der Krone der Ulme ein.
Das Dorf
Am nächsten Tag freute sich Silberfeder darauf, die Gegend zu erkunden. Er musste auch etwas zu fressen finden. Sein Magen knurrte schon laut. Zaubervögel ernährten sich von Pflanzen, Zapfen und Nüssen. Silberfeders Lieblingsspeise waren Maiskolben.
Der große Vogel breitete seine Flügel aus, flog über die Bäume, entdeckte Wiesen und Felder und viele kleine Häuser. „Wie schön, ein Dorf!“, dachte Silberfeder. Seine Verwandten im Zauberwald hatten ihm von den Menschen erzählt. Menschen haben keine Flügel und können nicht fliegen. Sie bauen kein Nest, sondern kleine Häuser, in denen sie wohnen.
Silberfeder konnte es kaum erwarten, einen Menschen zu sehen.
Er setzte sich auf einen Baum und hielt Ausschau. Wenn dort ein Dorf ist, mussten ja auch irgendwo Menschen sein. Da entdeckte er die Gestalten auf zwei Beinen. Sie schienen ganz aufgeregt und liefen in ihre Häuser. Silberfeder wartete, doch sie kamen nicht wieder aus den Häusern heraus.
Das Eichhörnchen
Silberfeder drehte noch eine Runde und flog zurück in sein Nest. Dort angekommen wurde er traurig. Er war so allein. Immer stärker vermisste er seine Freunde aus dem Zauberwald. Er fragte sich, warum er im Wald keine Tiere sah und auch keine Vögel hörte. „Irgendwer muss doch hier wohnen?“, dachte er.
„Was war denn das? Ein rotbraunes Knäuel lag in seinem Nest. Silberfeder stupste es mit seinem silbernen Schnabel an. Ein kleiner Kopf mit Pinselohren, ein Körper und ein buschiger Schwanz kamen zum Vorschein.
„Wer bist du denn und was machst du in meinem Nest?“, fragte Silberfeder das kleine Tier.
Der Winzling zitterte vor Angst am ganzen Leib.
„Ich bin Erich, das Eichhörnchen. Bitte tu mir nichts! Ich habe nur einen Schlafplatz gesucht. Ich werde sofort wieder verschwinden, aber bitte lass mich leben!“, wimmerte das Eichhörnchen.
Silberfeder wunderte sich: „Warum sollte ich dir denn etwas tun? Bleib doch ruhig hier. Es ist genug Platz im Nest.“
Erich glaubte zu träumen. Wollte ihn der große Vogel wirklich nicht fressen? Da bemerkte er die glänzenden Federn.
„Was hast du denn für schöne Federn? Sind die aus echtem Silber?“, fragte Erich.
„Ich heiße Silberfeder, weil mein Gefieder so silbern glänzt. Die Federn schützen mich, wenn es regnet, sie kühlen mich im Sommer und sie halten mich warm, wenn es kalt wird.“, antwortete der Vogel.
Erich nahm seinen Mut zusammen und traute sich, die silbernen Federn zu berühren. Die oberen waren sehr fest und stabil, die kleinen Federn darunter waren ganz weich. Erich fand es spannend, einen so großen Vogel kennenzulernen.
Silberfeder erzählte dem Eichhörnchen von seinem Ausflug zum Dorf und davon, dass er Menschen gesehen hatte, die aufgeregt in ihre Häuser liefen. Er hatte das Gefühl, sie würden vor etwas fliehen.
„Da hast du Recht.“, erklärte Erich. „Die Menschen haben große Angst vor dir. Ein Bauer hat dich gesehen und die anderen gewarnt. Bis in den Wald hat es sich rumgesprochen, dass ein Zaubervogel unterwegs ist. Alle Eichhörnchen, Vögel, Rehe, Hasen und Füchse haben sich vor dir versteckt.“
„Warum sollte man denn vor mir Angst haben?“, wunderte sich Silberfeder. „Und warum hast du dich in mein Nest gelegt?“
„Ganz bestimmt nicht, weil ich mutig bin. Ich habe den ganzen Tag Nüsse und Eicheln gesucht, bin von Baum zu Baum gesprungen und habe Vorräte für den Winter versteckt. Ich war so schwach und erschöpft. Als ich das Nest erreichte, bin ich wohl eingeschlafen. Woher sollte ich wissen, dass es das Nest eines Zaubervogels ist?“, entgegnete das Eichhörnchen.
Der Plan
Silberfeder erzählte dem Kleinen, dass niemand Angst vor ihm haben muss. Er würde so gern andere Tiere im Wald kennenlernen und Freunde finden.
„Na, einen hast du doch schon gefunden!“, sagte Erich stolz. „Wenn ich den anderen von dir erzähle und ihnen verspreche, dass du keinen von uns frisst, kannst du dich vor Besuchern in deinem schönen weichen Nest nicht retten!“
Silberfeder freute sich. Dann würde es in dem Wald ja doch nicht so langweilig werden. Das kleine Eichhörnchen schlief unter den Flügeln des Zaubervogels ein.
Der nächste Tag
Am Morgen eilte Erich zu den anderen Eichhörnchen und erzählte von seinem Abenteuer. Die Geschichte verbreitete sich blitzschnell im ganzen Wald. Die anderen Tiere wollten den Zaubervogel gern kennenlernen. Silberfeder freute sich riesig. Gemeinsam mit seinem kleinen Freund Erich wollte er am Wochenende alle Tiere des Waldes zu einem großen Fest einladen.
Die Rettung
Voller Vorfreude auf das Fest flog der Zaubervogel über den Wald. Hier und da entdeckte er kleine Vögel und Waldtiere, die neugierig, aber noch sehr vorsichtig zu ihm hinaufschauten. Da sah er wieder Menschen auf dem Feld. Sie hatten ihn erkannt und liefen vor Angst zu ihren Häusern. „Schade!“, dachte Silberfeder.
Da bemerkte er zwei Menschen an einem See. Sie waren kleiner als die anderen. Das mussten die Kinder sein, von denen ihm Erich berichtet hatte.
Die Kleinen wirkten aufgeregt. Ein Kind stand am Ufer, es rief laut und winkte aufgeregt mit den Armen. Das andere war im Wasser und schrie vor Angst. Silberfeder kam näher und verstand, dass das Kind im Wasser nicht schwimmen konnte. Es würde ertrinken, wenn es keine Hilfe bekäme.
Blitzschnell flog Silberfeder zum See, schnappte das Kind mit seinem starken Schnabel und brachte es an Land.
Das andere Kind rannte zunächst aus Furcht vor dem Zaubervogel davon. Als er sah, dass der große Vogel seinen Bruder Tim gerettet hatte, lief er voller Freude zurück.
„Danke, lieber Zaubervogel!“, rief der Junge ganz außer sich und umarmte seinen kleinen Bruder. Beide weinten vor Glück und Erschöpfung.
Silberfeder war stolz. Er wedelte dem durchnässten Jungen mit seinen großen Flügeln Luft zu, sodass seine Kleidung schnell wieder trocken wurde. Die Sonne schien und brachte das Gefieder des Zaubervogels zum Glänzen. Die Kinder staunten und wollten von Silberfeder ganz viel wissen.
Schnell war den beiden Jungs klar, dass der Vogel weder böse noch gefährlich ist. Sie wollten es ihren Eltern und den Leuten im Dorf erzählen. Da entdeckten sie ihre Mutter und ihren Vater, die sich aus Sorge um die Kinder aus dem Haus gewagt hatten. Als sie die Kinder wohlbehalten neben dem großen Vogel sahen, überwanden auch sie ihre Angst und gesellten dazu.
Die Kinder berichteten ihnen, wie Silberfeder Tim vor dem Ertrinken gerettet hatte. Die Eltern hörten gespannt zu und fragten den Vogel, wie sie sich bedanken könnten.
Silberfeder hatte eine Idee. Er lud die Familie und alle Menschen aus dem Dorf zum Kennenlernfest am Wochenende in den Wald ein. Silberfeder bat sie, allen zu erzählen, dass keine Gefahr von ihm ausginge und er gern friedlich mit ihnen zusammenleben möchte.
Das Fest
Am Wochenende war der ganze Wald voller Tiere und Menschen. Silberfeder hatte eine Festtagstafel mit schmackhaften Speisen herbeigezaubert, denn schließlich war er ja ein Zaubervogel. Sein kleiner Freund Erich hatte den Menschen, die Silberfeder gern ein Geschenk überreichen wollten, verraten, dass er Maiskolben liebt. Jeder Dorfbewohner brachte einen Maiskolben mit und der Vogel war ganz gerührt vor Glück.
Tiere und Menschen feierten bis spät in die Nacht zusammen. Von diesem Tag an war Silberfeder nie wieder einsam. Er hatte viele Freunde gefunden, mit denen er spannende Abenteuer erleben konnte. Das kleine Eichhörnchen Erich blieb für immer sein allerbester Freund.
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