Erbpachtgrundstück kaufen und bebauen – alle Vor- und Nachteile
Die Erbpacht ist eine umgangssprachliche Bezeichnung für ein Erbbau-Grundstück. Es bezeichnet das Vermieten von Land auf eine lange Zeit zum Zweck der Bebauung. Richtig angewendet, kann eine Erbbau-Immobilie große Vorteile für alle Beteiligten bieten. Wenn aber die Verträge nicht sorgfältig ausgearbeitet sind, ist ein Rechtsstreit vorprogrammiert. Dies gilt vor allem dann, wenn die Eigentumsrechte an Dritte durch Verkauf oder Erbschaft übertragen werden.
Schneller zum Ziel mit dem Erbpachtgrundstück
Vorweg gesagt: Die Bezeichnung „Erbpacht“ ist heute nicht mehr zulässig. Dieser Terminus stammt noch aus der Zeit der Lehnsherrschaft. Auch von der Rechtsanwendung her gibt es große Unterschiede aus der traditionellen Erbverpachtung von Grundstücken und dem modernen Erbbaurecht. An der Idee hat sich jedoch nichts geändert: Ein Baugrundstück wird nicht verkauft, sondern auf eine lange Zeit hin vermietet. Der Mieter des Grundstücks hat das Recht, ein Gebäude darauf zu errichten und nach seinem Gusto zu nutzen. Er ist nur an die vertraglichen Bedingungen und an die allgemeinen Bauvorschriften gebunden. Der Vermieter des Grundstücks hat zwar gewisse Mitsprache- und Vetorechte, jedoch tritt er grundsätzlich das Nutzungsrecht des Grundstücks an den Erbbaunehmer ab. Bei Ein- und Mehrfamilienhäusern ist das in der Regel auch unproblematisch. Jedoch bei Lagerhallen oder Industriegebäuden ist immer ein gewisses Risiko dabei, ob die jeweiligen Nutzer des Grundstücks sich auch an alle Umweltauflagen halten.
Geld verdienen mit dem Erbpachtgrundstück
Kapital generieren per Erbpachtzins ist grundsätzlich eine sehr lukrative Sache. Ein ungenutztes Grundstück ist primär zwar eine gute Geldanlage, sie generiert aber keine Erträge. Die nicht-bauliche Nutzung eines Baugrundstücks ist sehr eingeschränkt. Eine Pferdekoppel oder eine Schafsweide ist das höchste, was man davon erwarten darf. Eine intensiv-landwirtschaftliche Nutzung ist in der Regel auf einem Baugrundstück nicht möglich. In jedem Fall stehen die so generierten Erträge in keinem Verhältnis zu den Kosten: Ein Grundstück kostet Steuern und das nicht wenige. Ein Grundstücksbesitzer hat deshalb stets ein Interesse daran, statt hoher Steuern hohe Erträge zu erwirtschaften. Die muss er zwar auch wieder versteuern, in der Gesamtbilanz bleibt dennoch ein interessanter Gewinn übrig.
Zinsen fest, Grundstückswert variabel
Das Besondere am Erbbau ist, dass die Zinsen und die Laufzeit im Vertrag fest geschrieben sind. Bei Laufzeiten von 50-99 Jahren ist es auch kaum möglich, einen fixen Betrag zu vereinbaren. Die Zinsen bleiben zwar gleich, jedoch kann sich der Wert des Grundstücks dramatisch ändern. In einem Zeitraum von knapp 100 Jahren ist da immer ein Risiko – für beide Seiten.
Hätte man vor 50 Jahren ein Grundstück in der Schwerindustrie-Region Dortmund gepachtet, hätte man einen recht hohen Wert für den Baugrund anlegen müssen. Inzwischen hat diese Region aber einen dramatischen Strukturwandel durchlebt, so dass die Preise für Grundstücke stark gefallen sind. Umgekehrt sind die Preise für Grundstücke in der Region Frankfurt in den letzten 10 Jahren fast um 150% gestiegen. Der BREXIT wird sein Übriges tun, wenn die Banken ihre Arbeitsplätze und Zentralen von London in die Metropole am Main verlagern. Ein Bauvorhaben auf Erbbau-Basis macht die Beobachtung der aktuellen Grundstückspreise immer erforderlich. Steigende Grundstückspreise schlagen sich durch einen entsprechend gestiegenen Erbpachtzins nieder, bei fallenden Grundstückspreisen ist dies umgekehrt.
Bauen auf Erbbaugrundstück
Als Errichter einer Immobilie hat man mit dem Erbbau-Verfahren den kurzfristigen Vorteil, wesentlich niedrigere Baukosten stemmen zu müssen. Durchschnittlich liegen 30-50% der Kosten eines Gebäudes auf dem Kaufbetrag des Grundstücks. Hier kann der Bauherr bis zu 45% sparen. Jedoch ist dieser Weg für Eigenheim-Aspiranten mit knappen Budget nicht unbedingt der beste Weg. Neben dem diffusen Gefühl, zwar das eigene Haus zu bewohnen, es jedoch auf fremden Grund stehen zu haben gibt es noch einige andere Nachteile beim Bauen auf Erbbau-Basis:
- Andauernde Zahlungsverpflichtungen
- Mitsprache- und Vetorecht des Grundstücksbesitzers
- Kein uneingeschränktes Nutzungsrecht
- Verlust der Immobilie nach Ablauf der Mietzeit
- Nur eingeschränktes Vorkaufsrecht
- Bei Zahlungsverzug droht vorzeitiger Verlust der Immobilie
- Wesentlich geringerer Wiederverkaufs-Wert, schwierig zu veräußerndes Objekt
Zwar muss der Grundstücksbesitzer dem Errichter der Immobilie eine „angemessene“ Entschädigung zahlen, wenn der Erbbau-Vertrag ausläuft. Jedoch sollte man hier bedenken, wie hoch der Wert einer Immobilie nach 50-99 Jahren noch sein kann. Tatsächlich kann man davon ausgehen, dass die letzten 20 Jahre vor Auslaufen des Vertrags kaum noch in das Objekt investiert wird und es somit im Übertragsfall eher Kosten für den Abbruch verursacht, als einen echten Wert darstellt.
Ideal sind Mietimmobilien
Die Varianz im Grundstückswert ist letzten Endes jedoch nur für Besitzer einer selbst genutzten Immobilie relevant. Bei Mietimmobilien kann die Fluktuation über die veranschlagte Raum- und Wohnungsmiete reguliert werden. Selbstnutzer kommen indes nicht drum herum, den Erbpachtzins aus eigenen Mitteln zu generieren. Hier zeigt sich rein kalkulativ ein gewisser Haken beim Bauen auf Erbbau-Basis: Die durchschnittliche Rückzahlung eines Immobilienkredits beträgt 30 Jahre. Wenn der minimale Erbbau-Zins von 3% zu Grunde gelegt wird, hat man durch den Zinseszins-Effekt das Grundstück nach 30 Jahren ebenfalls schon zu 100% bezahlt. Bei einer Verzinsung von 5% tritt dieser Fall schon nach 18 Jahren ein. Das sollte für jeden Eigenheimbauer ein überschaubarer Zeitraum sein. Jedoch muss dann im Unterschied zu einem Eigenheimbauer auf eigenem Grundstück der Erbbau-Zins weiter abgeführt werden. Bei einem Mietobjekt lässt sich indes ganz anders kalkulieren. Neben der völligen oder zumindest teilweisen Umlage der Erbbau-Zinsen auf die Miete wirken diese Kosten außerdem schmälernd für den Gewinn. So kann der Mietobjekt-Errichter zumindest einen steuerlichen Vorteil aus dem Erbbau-Zins generieren – zumal er auch die Grundsteuer spart. Die muss nach wie vor vom Eigentümer des Grundstücks abgeführt werden.
Das bebaute Grundstück ist steuerlich unbebaut
Dies ist sehr wichtig zu wissen: Natürlich steigt theoretisch der Wert eines Grundstücks, wenn sich auf ihm ein lukratives Objekt befindet. Das gilt vor allem dann, wenn es sich dabei um eine gut vermietete Wohnimmobilie handelt. Jedoch gehört die Immobilie nun mal nicht dem Besitzer des Grundstücks. Deshalb bleibt der Wert des Grundstücks rein steuerlich entsprechend niedriger. Darauf gilt es ganz besonders zu achten, wenn man ein bebautes Erbpacht-Grundstück kaufen möchte.
Kaufen und Verkaufen
Das Besondere an Erbbau-Grundstücken ist, dass sie vertraglich bleiben, wie sie sind. Auch wenn sie verkauft oder vererbt werden, bleiben die ursprünglichen vertraglichen Konditionen erhalten. Es kann deshalb nicht passieren, dass ein Grundstück per Erbbau-Recht erworben und bebaut wird – dann es aber von Besitzer verkauft wird und dabei die Nutzungsrechte verschwinden. Natürlich ist dies juristisch ein sehr heikles Thema. Eine umfassende Rechtsberatung mit durch einen spezialisierten Immobilien-Anwalt ist bei Abschluss eines Erbbau-Vertrages deshalb für beide Seiten obligatorisch. Es gibt keine Standard-Verträge für diesen Fall, sondern die einzelnen Konditionen werden individuell nach Grundlage des Erbbau-Rechts verhandelt.
Jedoch kann es auch für Dritte sehr interessant sein, ein bebautes und vertraglich gebundenes Erbbau-Grundstück zu kaufen. Es ist eine der sichersten Kapitalanlagen, die man sich vorstellen kann. Mit einer Verzinsung zwischen drei und fünf Prozent erhält man hier ein hervorragendes Verhältnis zwischen Risiko und Ertrag.
Risiken beim Kauf
Ganz ohne Risiko ist der Kauf eines bebauten und durch Dritte genutzten Erbbau-Grundstücks indes nicht.
Man erwirbt mit dem Kauf die Eigentumsrechte an dem Grundstück, nebst der vertraglichen Bindung an die Nutzpartei – oder deren Nachfolger. Auch dies können Erben oder Käufer sein, welche die Nachfolgeschaft des ursprünglichen Unterzeichners sind. Eine gewisse Fluktuation bei den Vertragspartnern mit dem damit verbundenen Kommunikationsaufwand ist deshalb unvermeidlich. Die gute Nachricht: Der Besitzer des Grundstücks hat bei Verkaufsabsicht der Immobilie in der Regel ein Vorkaufsrecht. Dies kann umgangen werden, wenn der Interessent des Objekts aus der nahen Verwandtschaft des Errichters stammt. Doch das muss nicht unbedingt sein. Es kommt darauf an, was ursprünglich vereinbart wurde. Jedoch kann der Besitzer des Grundstücks unter Umständen gegen den Verkauf der Immobile ein Veto einlegen. Man möchte sich schließlich doch zu einem gewissen Umfang seine Vertragspartner aussuchen können.
An diesen juristischen Spitzfindigkeiten ist jedoch ersichtlich, dass der Handel mit Erbbau-Grundstücken zwar lukrativ aber auch anstrengend sein kann.
Gebunden um jeden Preis?
Dem Besitzer des Grundstücks steht jedoch ein Weg offen, mit dem er die vorzeitige Beendigung des Erbbau-Vertrages auslösen kann. Dieser „Heimfall“ genannte Weg liegt vor, wenn der Nutzer des Grundstücks 24 Monate mit der Zahlung des Erbpachtzins in Verzug ist. Das wirkt auf den ersten Blick sehr lange. Jedoch muss man schon bedenken, dass der Errichter einer Immobilie erhebliche Investitionen getätigt hat. Hier kann man nicht das normale Kündigungsrecht von zwei bis drei Monaten zu Grunde legen, wie man sie aus Mietverträgen von Wohnungen kennt. Jedoch kann ein Verlust von Ertrag mit der Vereinbarung einer Kaution bzw. Vorauszahlung von 2 Jahrespacht-Zinsen umgangen werden.
Falls der Nutzer der Immobilie nicht vertragsgemäß, gesetzeskonform und pfleglich mit dem Grundstück umgeht, kann der Besitzer ebenfalls den Heimfall geltend machen. Jedoch genügt dazu nicht eine mangelnde Gartenpflege. Typische Fälle sind hier nicht genehmigte bzw. vereinbarte Nutzungen, beispielsweise eine gewerbliche Nutzung mit Emission von Giftstoffen statt einer Wohnimmobilie.
Erbbaurecht: Preiswert aber anspruchsvoll
Das Erbbaurecht ist für Immobilien-Profis eine gute Sache, um preiswert Wohn- oder Gewerberaum als Renditeobjekt schaffen zu können. Für Eigenheimbesitzer ist das Bauen auf einem Erbpacht-Grundstück jedoch nur auf den ersten Blick besonders günstig. Hier wäre der Weg, mit einer kleineren Immobilie zu beginnen und sich schrittweise an das Traumhaus heranzuarbeiten die bessere Idee. Es heißt nicht umsonst „Eigenheim“ und nicht „Nicht so ganz mein eigenes Heim“. Die Sicherheit eines bezahlten Zuhauses ist mehr wert, als ein prächtiges Gebäude auf einem fremden Grundstück.
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